Stellen Sie sich vor, dass Sie wegen eines Geschäftstreffens einen Flug um 11 Uhr gebucht haben und dieser nun abgesagt wurde. Sie rufen bei der Fluggesellschaft an, um einen neuen Flug zu buchen.
Jetzt hat der Agent der Fluggesellschaft zwei Möglichkeiten, Ihre Anfrage zu beantworten:
Antwort A: „Ja, ich könnte Ihnen einen Flug morgen früh um 9:30 Uhr anbieten. Aber lassen Sie mich nachsehen, ob es noch eine frühere Verbindung gibt. Ah! Ich kann Ihnen einen Flug heute Abend um 19:30 Uhr anbieten. Darf ich diesen für Sie buchen?“
Antwort B: „Ich kann Sie auf den Flug um 19:30 Uhr heute Abend umbuchen.“
Obwohl bei beiden Möglichkeiten der Agent der Fluggesellschaft die gleiche Option anbietet, stehen die Chancen nicht schlecht, dass Antwort A Ihnen ein besseres Gefühl vermittelt als Antwort B. Das ist ein Beispiel dafür, wie die Verhaltensökonomie in der Kundenbetreuung genutzt werden kann (Artikel in Englisch).
Wissenschaftliche Erkenntnisse zu Emotionen und Kundenzufriedenheit
Warum hört sich Antwort A also besser an? Aus zwei Gründen. Der Agent hat zunächst mit dem Flug am nächsten Tag eine nicht ganz optimale Option angeboten und Ihnen dann eine im Vergleich bessere. In der Verhaltensökonomie wird das als Ankereffekt („Anchoring“) bezeichnet: Es wird eine Option geboten, die dann mit anderen Auswahlmöglichkeiten verglichen werden kann.
Der zweite Grund ist der sogenannte Einordnungseffekt („Framing-Effekt“). Der Agent hat das Problem neu eingeordnet und einen kundenfreundlicheren Lösungsweg eingeschlagen.
Manche würden diese Vorgehensweise vielleicht als manipulativ ansehen. Für andere ist es jedoch schlicht die Nutzung von Marketingdaten, um ein besseres Kundenerlebnis zu bieten. Der Punkt ist jedoch, dass bei der Kundenkommunikation nicht sichtbare emotionale Aspekte eine Rolle spielen. Die Verhaltensökonomie bietet potenziell nützliche Ansätze für eine positivere Wahrnehmung Ihres Unternehmens und Ihrer Leistungen durch Ihre Kunden.
Welcher ROI lässt sich im Außendienst durch eine Fehlerbehebung im ersten Anlauf erzielen? Lesen Sie diesen Blogeintrag >
Verhaltensökonomie im Bereich Terminvereinbarung und Disposition
Eine der Grundideen der Verhaltensökonomie sieht vor, dass dem Kunden Auswahlmöglichkeiten geboten werden sollten. In Unternehmen wird manchmal unterstellt, dass Kunden alle dasselbe wollen, und dann wird darauf hingearbeitet, es ihnen zu geben. Aber das stimmt nicht immer.
Gehen wir beispielsweise von einem Dienstleister aus, bei dem zwei Vertreter – nennen wir sie Pascal und Alex – beschäftigt sind, die kurzfristig verfügbar sind, um Sarah von XY Manufacturing zu unterstützen. Dank des im Unternehmen eingesetzten Systems für das Außendienstmanagement hat der Disponent nicht nur die Verfügbarkeit, den Standort und den Arbeitsplan des Außendiensttechnikers im Blick, sondern auch relevante Verkehrsinformationen. Für den Disponenten ist das sozusagen der verhaltensökonomische Hauptgewinn. Pascal kann innerhalb von 20 Minuten vor Ort sein, hat aber noch nie mit Sarah zusammengearbeitet. Alex kann frühestens in 1,5 Stunden vor Ort sein, aber hat bereits einige Male mit Sarah zusammengearbeitet.
Mit all diesen für den Disponenten verfügbaren Informationen zu den Außendienstmitarbeitern könnte der Anruf aus dem Call Center an Sarah sich wie folgt anhören:
„Ich könnte Alex vorbeischicken – ich weiß, dass Sie immer gerne mit ihm zusammengearbeitet haben. Er könnte in etwa 90 Minuten bei Ihnen sein. Aber wenn Sie nicht warten möchten – Pascal könnte in 20 Minuten vor Ort sein.“
Dieses Szenario setzt sowohl das Wissen um die Einsätze von Alex in der Vergangenheit und seine Bewertung durch Sarah als auch ein Telefongespräch zwischen Sarah und einem Disponenten voraus. Es könnte jedoch auch automatisiert erfolgen. In einem Kundendienstportal auf Ihrer Website könnten Informationen über alle verfügbaren Techniker, Hinweise auf vorangegangene Arbeiten bei dem jeweiligen Unternehmen, Fotos der Techniker, die ungefähre Ankunftszeit usw. bereitgestellt werden.
Umgekehrt könnte man auch davon absehen, Alex zu Sarah zu schicken, wenn sie mit seiner Arbeit in der Vergangenheit nicht zufrieden war. Eine weitere Möglichkeit: Wenn die von Alex geleistete Arbeit als gut bewertet wurde, er aber bis zum nächsten Tag ausgebucht ist, könnte bei einer dringenden Anfrage von Sarah dem Zeitfaktor automatisch Vorrang vor dem Verfügbarkeitsfaktor eingeräumt werden.
Im Kundendienst keine Annahmen treffen
Der Vorteil der Anwendung verhaltensökonomischer Erkenntnisse im Geschäftsleben liegt darin, tatsächliches Verhalten von Menschen zu betrachten, statt bestimmte Verhaltensweisen vorauszusetzen. Im Hinblick auf Ihre eigenen Kunden könnte es ich auszahlen, zu überprüfen, ob sich möglicherweise bereits bestimmte solche Annahmen eingeschlichen haben, die hinterfragt werden sollten. Vielleicht lässt sich Ihr Vorgehen bei der Terminvergabe an Kunden optimieren.